Ohne Titel (15)

von nomissimon

Ich verlasse meine Wohnung. Gehe meine Straße heraus, biege links ab, immer den Straßenbahnschienen hinterher. An der nächsten Kreuzung weiter geradeaus, unter der Eisenbahnbrücke hindurch bis zum Kleingartenverein. Ich drücke und ziehe, doch das Tor zu den Gärten bleibt verschlossen. Ich überlege kurz, ob ich nicht einfach über den Zaun klettern soll, aber ich hab Angst vor Hunden und Wachleuten und lasse es lieber bleiben. Mein Weg führt mich weiter, vorbei an geparkten Autos, an Hausern und Bürokomplexen, an Supermärkten und Grundschulen. Ich laufe weiter. Als ich den Radweg erreiche, würde ich gerne eine Münze werfen, um zu entscheiden, ob ich nach links oder rechts gehen soll, aber ich habe mein Portmonnaie zu Hause liegen lassen. Ich laufe nach links, weil mir mein Gefühl sagt es sei der richtige Weg. Hier stehen keine Häuser mehr, nur noch Bäume und Bänke. Meine Uhr trage ich heute nicht, deswegen weiß ich nicht, wie lange ich schon unterwegs bin, aber es kommt mir vor, als wäre es schon eine ganze Weile. Auf dem Kiesuntergrund kann ich jeden meiner Schritte hören. Wieder gehe ich unter Brücken her. Später erreiche ich den Fluss. Vom Weg geht ein kleiner Hang runter zum Ufer, ich suche mir eine schöne Stelle und setze mich auf den Boden. Ich bin durstig, aber ich habe kein Wasser, stattdessen rauche ich. Ich möchte warten bis die Sonne aufgeht, aber ich kann meine Augen nicht offen halten. Geweckt werde ich von einer nassen Zunge in meinem Gesicht. Über mir steht ein Hund und schleckt energisch und voller Enthusiasmus mein Gesicht ab. Eine Frauenstimme fragt besorgt „Ist alles ok bei ihnen?“. Ich drücke ein „Ja“ aus meinen Lungen.